Scherenstuhl Adolf Loos 002

Adolf Loos Scherenstuhl, Wien 1913-31

Ausführung wohl Manufaktur Friedrich Otto Schmidt Wien

Das hochw­er­tig aus­ge­führte Stuhlgestell ist in Eiche mas­siv gear­beit­et. Die Rück­en­lehne ist mit­tig mit einem herzför­mig beschnitzten Medail­lon gestal­tet. Die Arm­lehnen sind geschwun­gen und an ihren Enden innen und außen mit einem Blu­men­mo­tiv beschnitzt. 

Die scher­e­nar­ti­gen Streben, welche die Arm­lehnen und die kufen­för­mi­gen Füße verbinden, wer­den durch vier Met­al­lverbindun­gen, welche an ihren Enden durch große Mess­ingknöpfe geziert sind, zusammengehalten.

Vor­liegende Stuhlform geht auf die Entwürfe der Scheren­stüh­le der ital­ienis­chen Frühre­nais­sance des frühen 16. Jahrhun­derts zurück. 

Abge­bildet in Her­mann Schmitz Das Möbel­w­erk“ Seite 81.

Adolf Loos ver­wen­dete diese Stuhlform unter anderem für eine Woh­nung­sein­rich­tung in der Prinz Eugen Straße 80, im 4. Bezirk in Wien für seinen Auf­tragge­ber Paul Mayer.

Aus­führende Werk­stätte war wohl die bedeu­tende Wiener Möbel­man­u­fak­tur Friedrich Otto Schmidt, mit welch­er Adolf Loos eng zusammenarbeitete.

Ein Foto von dem Kam­inz­im­mer des Auf­tragge­bers Paul May­er befind­et sich in der Samm­lun­gen Alberti­na / Alberti­na, Adolf Loos Archive; s. Abbil­dung unten.

Adolf Loos
geboren am 10. Dezem­ber 1870 in Brünn, ver­stor­ben am 23. August 1933 in Karls­burg bei Wien, war Architekt, Design­er, Schrift­steller und Lehrer. In der kun­st­geschichtlichen Lit­er­atur gilt Loos als wichtiger Weg­bere­it­er der Mod­erne in Architek­tur und Design und gren­zte sich mit seinen Ideen stark von den Architek­ten der Wiener Werk­stätte ab, auch stand er in kri­tis­ch­er Dis­tanz zum Deutschen Werk­bund und dem Bauhaus.
Adolf Loos prägte, neben den bedeu­ten­den Vertretern des Wiener Jugend­stils und ihren Vere­ini­gung der​“Wiener Sec­e­ssion” als auch der​“Wiener Werk­stätte“ wie Otto Wag­n­er, Josef Hof­mann, Joseph Maria Olbrich, aber unter anderen auch Max Fabi­ani und Jože Plečnik, welche Schüler von Otto Wag­n­er waren, maßge­blich den Wiener Stil. Beson­ders her­vorzuheben wäre auch, dass Loos als ener­gis­ch­er Geg­n­er des Wiener Jugend­stils auch“ Sec­e­ssion­sstil” genan­nt, galt.
Adolf Loos war eng mit bedeu­ten­den Kün­stlern sein­er Zeit wie Arnold Schön­berg, Oskar Kokosch­ka, Peter Altenberg und Karl Kraus befre­un­det, deren Werde­gang er auch lei­den­schaftlich unter­stützte. Kün­st­lerisch bee­in­flusste Loos viele spätere Architek­ten der Mod­erne, unter anderem Richard Neu­tra, Hein­rich Kul­ka oder auch Lui­gi Blau. Adolf Loos war auch als Lehrer tätig und führte auch eine eigene, pri­vate Bauschule, wo er unter anderem Paul Engel­mann und Leopold Fis­ch­er unter­richtete. Als eine der bedeu­tend­sten Schriften Adolf Loos‘ ist wohl die von Orna­ment und Ver­brechen (1908) anzuse­hen, in der Loos gegen das Orna­ment an sich zu Felde zieht. In den 1920er Jahren hielt sich Adolf Loos in Paris auf, wo er inten­sive Kon­tak­te zur Kün­stler­a­vant­garde sein­er Zeit unter­hielt. In den Jahren 1925 — 1926 baute er in Paris unter anderem ein Haus für Tris­tan Tzara einem franzö­sis­chen Dichter, Jour­nal­is­ten, Kun­st­samm­ler, Kom­pon­is­ten, Filmemach­er und Mit­be­grün­der des Dadais­mus. Auch für die Tänz­erin Josephine Bak­er plante Loos 1927 ein Haus in Paris auf der Avenue Bugeaud mit ein­er hor­i­zon­tal­en schwarz-weiß gestreiften Fas­sade, welch­es jedoch nie umge­set­zt wurde.
Ein her­aus­ra­gen­des Beispiel neben dem Loos Haus am Wiener Michael­er­platz ist unter anderem die 1930 gebaute, von ihm konzip­ierte Vil­la Müller in Prag, fast voll­ständig erhal­ten und heute als Muse­um geführt. Auch bei ihr ist die äußer­liche Form der Kubus, welch­er in den Entwür­fen von Loos eine zen­trale Rolle ein­nimmt. Im Inneren wer­den edle Mate­ri­alien und Deko­rs aus ver­schiede­nen Epochen kom­biniert.

Vgl. Lit.:
M. Kris­tan, Adolf Loos Villen, Wien 2001,
B. Rukschcio, R. Schachel, Adolf Loos Leben und Werk, Salzburg, Wien 1982, Archiv Friedrich Otto Schmidt.


Friedrich Otto Schmidt:

Die Fir­ma Friedrich Otto Schmidt“ zählte zu den exk­lu­sivsten und bedeu­tend­sten Rau­mausstat­tern der Wiener Grün­derzeit. Anfänglich noch im Stil des His­toris­mus, der sich an der Imi­ta­tion älter­er Stil­for­men ori­en­tierte, konzen­tri­erte man sich schon bald auf die detail­ge­treue Wieder­gabe alter Vor­bilder und schuf so eine unverkennbare For­men­sprache, deren Stilmö­bel bis heute für höch­ste Qual­ität ste­hen. Durch die Mitwirkung an den Reformideen des Muse­ums für Kun­st und Indus­trie und dem Ein­fluss von Adolf Loos’ mod­er­nen Gestal­tungskonzepten avancierte die Fir­ma zur Avant­garde des Wiener Kun­st­gewerbes um 1900. Der Erfolg des Unternehmens wurde bestätigt durch zahlre­iche Beteili­gun­gen an inter­na­tionalen Ausstel­lun­gen wie der Weltausstel­lung in Wien 1873, der Mil­le­ni­um­sausstel­lung in Budapest 1896, den Win­ter­ausstel­lun­gen im k.k. Öster­re­ichis­chen Muse­um für Kun­st und Indus­trie in Wien 1898 – 1904 und der Ausstel­lung von Arbeit­en der öster­re­ichis­chen Kun­stin­dus­trie 1850 – 1914 eben­falls im k.k. Öster­re­ichis­chen Muse­um für Kun­st und Indus­trie in Wien 1914.

Friedrich Otto Schmidt Geschichte:

1858 fasste der aus ein­er säch­sis­chen, jedoch seit dem 18. Jahrhun­dert im preußis­chen Raum behei­mateten Zim­mer­manns­fam­i­lie stam­mende Carl Friedrich Hein­rich Schmidt (29.6.1824 Stral­sund — 22.10.1894 See­walchen) den Entschluss, nach Wien zu gehen.
Schmidt, der in Ham­burg eine Aus­bil­dung zum Kauf­mann absolvierte und 1850 nach Prag kam, um in der Tape­ten­fab­rik Robert & Bhd. Sieburg­er“ zu arbeit­en, deren Budapester Fil­iale er von 1853 bis 1857 leit­ete, sah wie so viele Kün­stler und Handw­erk­er in der kaiser­lichen Res­i­den­zs­tadt Wien mit ihrem städte­baulichen Wach­s­tum und der Errich­tung der Ringstraße eine gewinnbrin­gende Chance zur beru­flichen Selb­stver­wirk­lichung.
Nach­dem er zunächst gemein­sam mit dem aus Köln stam­menden Ger­hard Joseph Hubert Sugg (geb. 27.11.1832 Köln) 1859 das Tape­tengeschäft F. Schmidt & Sugg“ in der Bischof­gasse 637 (heute Roten­turm­straße 11) in Wien I gegrün­det hat­te, kon­nte Schmidt die Fir­ma 1872 zur Gänze übernehmen und in Friedrich Otto Schmidt“ umbe­nen­nen.
Seinen kom­merziellen Auf­schwung erlebte das Unternehmen mit dem Ein­tritt des ältesten Sohnes Otto Erd­mann Schmidt (4.10.1854 Budapest — 16.3.1895 Wien), das nun­mehr als Tech­nis­ches Ate­lier für Zim­merdec­o­ra­tio­nen“ kom­plette Ein­rich­tun­gen bis hin zu Stuck­deko­ra­tio­nen und Kamine anbot.
Die Fir­ma avancierte nicht nur zu einem der erfol­gre­ich­sten Woh­nungsausstat­ter in der zweit­en Hälfte des 19. Jahrhun­derts, son­dern beteiligte sich auch aktiv an Arthur von Scalas Reform­be­we­gung im Muse­um für Kun­st und Indus­trie in Wien, die sich zum deklar­i­erten Ziel set­zte, nach englis­chem Vor­bild das Zusam­men­wirken von Kun­st und Kun­sthandw­erk nach­haltig zu verbessern und die Tra­di­tion des His­toris­mus zu brechen.

Schon bald ver­ab­schiedete sich Schmidt von der his­torisieren­den Nachah­mung älter­er For­men und konzen­tri­erte sich auf die exak­te Kopie alter Vor­bilder, ange­fan­gen von Einzelmö­beln bis zu ganzen Interieurs.
Schmidts Lei­den­schaft für zeit­genös­sis­che Strö­mungen spiegelte sich auch in seinem pri­vat­en Umfeld wider. 1874 wurde seine vom Architek­ten Zin­ner erbaute Vil­la Daheim in See­walchen in Oberöster­re­ich fer­tiggestellt, in der er fre­und­schaftliche Kon­tak­te zu Kün­stlern, Lit­er­at­en und Musik­ern wie Hans Makart und Friedrich von Amer­ling pflegte. Als Carl Friedrich Hein­rich Schmidt 1894 und sein ältester Sohn Otto 1895 ver­star­ben, über­nahm sein ander­er Sohn Max Her­mann (11.8.1861 Wien — 1.4.1935 Budapest) die Fir­ma.

Dieser absolvierte seine Aus­bil­dung in den 1880er-Jahren bei dem Raumgestal­ter Prig­not in Paris und bei der Ein­rich­tungs­fir­ma Pal­len­berg in Köln. 1889 trat er in den Fam­i­lien­be­trieb ein und wurde 1894 alleiniger Eigen­tümer. Gemein­sam mit seinen bei­den Brüdern Carl Leo (20.2.1867 Wien — 15.5.1942 Wien) und Hugo Wil­helm (2.2.1856 Budapest — 16.2.1932 Wien) kon­nte er das Tech­nis­che Ate­lier für Woh­nung­sein­rich­tun­gen“ bis zur Jahrhun­der­twende struk­turell verän­dern und aus­bauen.

1896 wurde neben dem Geschäft­slokal in der Roten­turm­straße 11 in Wien I eine zweite Nieder­las­sung in der Waisen­haus­gasse 7 (heute Boltz­man­ngasse) in Wien IX errichtet. 1897 wurde ein Geschäft­slokal in der Lipót körút 32 (heute Szent István körút) in Budapest eröffnet. 1898 über­siedelte man von der Roten­turm­straße in das barocke Palais Neu­pauer-Bre­uner in der Singer­straße 16 in Wien I.

In der Waisen­haus­gasse 7 waren pri­vate Woh­nung und Lager­räume unterge­bracht. In den Jahren 1900 und 1910 wur­den weit­ere Nieder­las­sun­gen in der Bacher­gasse 5 in Wien V und in der Eisen­gasse 5 (heute Wil­helm-Exn­er-Gasse) in Wien IX eröffnet, die allerd­ings im Laufe der Jahre wieder aufge­lassen wur­den. Ein beson­ders pro­duk­tiv­er Aus­tausch herrschte mit dem Architek­ten Adolf Loos, der eng mit Max Her­mann Schmidt zusam­me­nar­beit­ete und ihn beispiel­sweise zum bekan­nten Ele­fan­ten­rüs­seltisch (1899) inspiri­erte, der ab 1900 in ver­schiede­nen Vari­anten für diverse Woh­nung­sein­rich­tun­gen Ver­wen­dung fand. Neben Loos arbeit­ete das Unternehmen auch mit der Wiener Seces­sion zusam­men. So richtete man nach Plä­nen von Josef Hoff­mann den Vor­raum und das Büro des Sekretärs im Ausstel­lungs­ge­bäude der Seces­sion ein.

Seit 1907 dient das Palais Chotek in der Währinger Straße 28 in Wien IX als Fir­men­sitz des Unternehmens. Das his­torische Gebäude im Renais­sances­til kon­nte er im Zuge eines gemein­samen Aus­baus mit dem Architek­ten Lothar Abel (15.2.1841 Wien — 24.6.1896 Wien) zuerst als Ate­lier mieten und 1904 schließlich erwer­ben.

Nach dem Tod von Carl Leo 1942 über­nah­men sein Sohn Erich (27.2.1910 Wien — 14.6.1980 Wien) und dessen Frau Irene, geb. Eder (13.7.1910 Wien — 21.6.2001 Wien) die Fir­ma. Ab 1968 war deren Tochter Irene (geb. 31.8.1948 Wien) als Geschäfts­führerin tätig, ihr Ehe­mann Klaus Lorenz (23.5.1943 Scheibbs — 24.12.2016 Wien) fungierte als Prokurist. Heute wird das Unternehmen von Irene und ihren bei­den Kinder Irene (geb. 15.2.1967 Wien) und Claus Lorenz (geb. 15.3.1966 Wien) geführt. Claus Lorenz betreut heute auch das Archiv Friedrich Otto Schmidt.

Lit­er­atur: Wag­n­er, Hoff­mann, Loos und das Möbelde­sign der Wiener Mod­erne“ (Seite 147 ff.) Kün­stler, Auf­tragge­ber, Pro­duzen­ten, Band 37 Eva B. Ottill­inger (Hg.) Dr. Ste­fan Üner, M MD

Scherenstuhl Adolf Loos 007
Scherenstuhl von Adolf Loos H: 80cm/37cm, B: 87,5 cm, T: 69 cm
Scherenstuhl Adolf Loos 005
Scherenstuhl Adolf Loos 006
Paul Mayer Kaminzimmer
Paul Mayer’s Kaminzimmer mit Loos' Scherenstuhl