
Satz von vier floral bemalten und grün gefassten Stühlen, Wien um 1900
Wunderschön gefasste Stühle mit ovaler in Anthemionform (Geißblattblüte) durchbrochen und beschnitzt gearbeiteter Rückenlehne. Der Satz besteht aus zwei Armstühlen mit leicht ausgestellten Armlehnen, sowie zwei Stühlen. Die grün und segmentmäßig gold gefassten Stühle sind rundum mit sehr feinen Blütengirlanden, in welchen jeweils mittig ein Rubin mit einer Perleneinfassung dargestellt ist, bemalt.
Die vorderen Stuhlbeine sind teilweise kanneliert und mit Blattwerk dekoriert ausgeführt. Die restaurierten Stühle sind derzeit in weiß grundgepolstert und werden anschließend auf Kundenwunsch mit einem Dekorstoff in unserer Werkstätte bezogen.
Es sind ganz besondere, sehr seltene Stühle mit wunderschöner grüner Fassung und feiner aufwendiger Blüten und Schmuckmalerei, die sich perfekt als Sitzmöbel für einen kleinen Salon oder Wintergarten anbieten.
Zum Entwurf:
Die Stuhlform mit durchbrochenen in Anthemionform gearbeiteten Rückenlehnen, entspricht einem Entwurf vom März 1785, gezeichnet von Gillow of Lancaster und abgebildet im Estimate Sketch Books (siehe S. Stuart; “Gillows of Lancaster und London 1730 – 1840”, London, 2008, S. 175 sowie ein ähnliches Design, S. 135). Die Grundform der Stühle existierte jedoch schon früher und erschien 1775 – 80 auf der Handelskarte von Vickers und Routledge, Conduit Street, London (veröffentlicht in A. Heal, “The London Furniture Makers”, London, 1953, S. 72, Pl. 9), sowie eine Suite von Sitzmöbeln, welche an Lyonel, 5. Earl of Dysart für Ham House, Surrey um 1780, geliefert wurden (S. Thornton, ‘Ham House’, Furniture History, 1980, Abb. 188). Eine weitere identische Sitzmöbelsuite, bestehend aus offenen Sesseln und passenden Fenstersitzen, wurde von Gillow an George, 4. Earl und 1. Marquis Cholmondeley (1749−1827) für Cholmondeley Castle, Cheshire, geliefert, jetzt in Houghton Hall. Sie sind illustriert in S. Macquoid, “The Age of Satinwood”, London, 1908, Abb. 102 und 115.
Geschichte — Gillows of Lancaster:
Die Firma von Gillows of Lancaster kann auf Robert Gillow (1704−72) im Jahr 1730 zurückgeführt werden, nachdem er eine Ausbildung zum Schreiner absolviert hatte. In den 1730er Jahren begann er, den lukrativen Westindien-Handel auszunutzen, indem er Mahagonimöbel exportierte und Rum und Zucker importierte. Nach seinem Tod im Jahr 1772 wurde das Geschäft von seinen beiden Söhnen Richard (1734−1811) und Robert (1745−93) fortgesetzt. 1764 wurde von Thomas Gillow und William Taylor in der Oxford Road 176, heute Oxford Street, eine Londoner Zweigstelle von Gillows gegründet. Das Unternehmen machte sich schnell einen Namen als Lieferant hochwertiger Möbel für die reichsten Familien des Landes. In den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts geriet das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten und traf ab 1897 eine lockere finanzielle Vereinbarung mit Waring of Liverpool, eine Vereinbarung, die durch die Gründung von Waring und Gillow im Jahr 1903 rechtlich bestätigt wurde. Warings of Liverpool wurde von John Waring gegründet, der 1835 aus Belfast in die Stadt kam und ein Großhandelsgeschäft für die Herstellung von Möbel gründete. Er wurde von seinem Sohn Samuel James Waring abgelöst, der das Geschäft in den 1880er Jahren schnell ausbaute und Hotels und öffentliche Gebäude in ganz Europa einrichtete. Er gründete auch die Waring-White Building Company, welche die Liverpool Corn Exchange, das Kaufhaus von Selfridge und das Ritz Hotel baute. Gillows hatte sich auch mit der Ausstattung von Luxusyachten und ‑schiffen einen Namen gemacht, darunter die königliche Yacht „Victoria and Albert“, die Schiffe „Lusitania“, „Heliopolis“ und ‚Cairo‘ sowie die RMS „Queen Mary“ (1934) und „Queen Elizabeth“ (1946) für Cunard. Während des Ersten Weltkriegs wurde die Lancaster-Fabrik auf die Kriegsproduktion umgestellt und stellte Munitionskisten für die Marine und Propeller für De Havilland DH9-Flugzeuge her. Im Zweiten Weltkrieg wurden Teile für Segelflugzeuge und die Mosquito-Flugzeuge produziert, während die Polsterabteilung Seesäcke, Zelte und Tarnnetze herstellte. Das Geschäft der Firma begann jedoch zu schrumpfen, und die Lancaster-Werkstätten wurden am 31. März 1962 geschlossen. 1980 schlossen sich Waring und Gillow mit der Möbeltischlerei Maple & Co zu Maple, Waring und Gillow zusammen, die später Teil der Allied Maples Group Ltd. wurde, zu der auch Allied Carpets gehörte. Aus “The National Archives City of Westminster Archives Centre”
Friedrich Otto Schmidt, Geschichte:
1858 fasste der aus einer sächsischen, jedoch seit dem 18. Jahrhundert im preußischen Raum beheimateten Zimmermannsfamilie stammende Carl Friedrich Heinrich Schmidt (29.6.1824 Stralsund — 22.10.1894 Seewalchen) den Entschluss, nach Wien zu gehen. Schmidt, der in Hamburg eine Ausbildung zum Kaufmann absolvierte und 1850 nach Prag kam, um in der Tapetenfabrik „Robert & Bhd. Sieburger“ zu arbeiten, deren Budapester Filiale er von 1853 bis 1857 leitete, sah wie so viele Künstler und Handwerker in der kaiserlichen Residenzstadt Wien mit ihrem städtebaulichen Wachstum und der Errichtung der Ringstraße eine gewinnbringende Chance zur beruflichen Selbstverwirklichung. Nachdem er zunächst gemeinsam mit dem aus Köln stammenden Gerhard Joseph Hubert Sugg (geb. 27.11.1832 Köln) 1859 das Tapetengeschäft „F. Schmidt & Sugg“ in der Bischofgasse 637 (heute Rotenturmstraße 11) in Wien I gegründet hatte, konnte Schmidt die Firma 1872 zur Gänze übernehmen und in „Friedrich Otto Schmidt“ umbenennen. Seinen kommerziellen Aufschwung erlebte das Unternehmen mit dem Eintritt des ältesten Sohnes Otto Erdmann Schmidt (4.10.1854 Budapest — 16.3.1895 Wien), das nunmehr als „Technisches Atelier für Zimmerdecorationen“ komplette Einrichtungen bis hin zu Stuckdekorationen und Kamine anbot. Die Firma avancierte nicht nur zu einem der erfolgreichsten Wohnungsausstatter in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, sondern beteiligte sich auch aktiv an Arthur von Scalas Reformbewegung im Museum für Kunst und Industrie in Wien, die sich zum deklarierten Ziel setzte, nach englischem Vorbild das Zusammenwirken von Kunst und Kunsthandwerk nachhaltig zu verbessern und die Tradition des Historismus zu brechen.
Schon bald verabschiedete sich Schmidt von der historisierenden Nachahmung älterer Formen und konzentrierte sich auf die exakte Kopie alter Vorbilder, angefangen von Einzelmöbeln bis zu ganzen Interieurs. Schmidts Leidenschaft für zeitgenössische Strömungen spiegelte sich auch in seinem privaten Umfeld wider. 1874 wurde seine vom Architekten Zinner erbaute Villa Daheim in Seewalchen in Oberösterreich fertiggestellt, in der er freundschaftliche Kontakte zu Künstlern, Literaten und Musikern wie Hans Makart und Friedrich von Amerling pflegte. Als Carl Friedrich Heinrich Schmidt 1894 und sein ältester Sohn Otto 1895 verstarben, übernahm sein anderer Sohn Max Hermann (11.8.1861 Wien — 1.4.1935 Budapest) die Firma. Dieser absolvierte seine Ausbildung in den 1880er-Jahren bei dem Raumgestalter Prignot in Paris und bei der Einrichtungsfirma Pallenberg in Köln. 1889 trat er in den Familienbetrieb ein und wurde 1894 alleiniger Eigentümer. Gemeinsam mit seinen beiden Brüdern Carl Leo (20.2.1867 Wien — 15.5.1942 Wien) und Hugo Wilhelm (2.2.1856 Budapest — 16.2.1932 Wien) konnte er das „Technische Atelier für Wohnungseinrichtungen“ bis zur Jahrhundertwende strukturell verändern und ausbauen. 1896 wurde neben dem Geschäftslokal in der Rotenturmstraße 11 in Wien I eine zweite Niederlassung in der Waisenhausgasse 7 (heute Boltzmanngasse) in Wien IX errichtet. 1897 wurde ein Geschäftslokal in der Lipót körút 32 (heute Szent István körút) in Budapest eröffnet. 1898 übersiedelte man von der Rotenturmstraße in das barocke Palais Neupauer-Breuner in der Singerstraße 16 in Wien I. In der Waisenhausgasse 7 waren private Wohnung und Lagerräume untergebracht. In den Jahren 1900 und 1910 wurden weitere Niederlassungen in der Bachergasse 5 in Wien V und in der Eisengasse 5 (heute Wilhelm-Exner-Gasse) in Wien IX eröffnet, die allerdings im Laufe der Jahre wieder aufgelassen wurden.
Ein besonders produktiver Austausch herrschte mit dem Architekten Adolf Loos, der eng mit Max Hermann Schmidt zusammenarbeitete und ihn beispielsweise zum bekannten Elefantenrüsseltisch (1899) inspirierte, der ab 1900 in verschiedenen Varianten für diverse Wohnungseinrichtungen Verwendung fand. Neben Loos arbeitete das Unternehmen auch mit der Wiener Secession zusammen. So richtete man nach Plänen von Josef Hoffmann den Vorraum und das Büro des Sekretärs im Ausstellungsgebäude der Secession ein. Seit 1907 dient das Palais Chotek in der Währinger Straße 28 in Wien IX als Firmensitz des Unternehmens. Das historische Gebäude im Renaissancestil konnte er im Zuge eines gemeinsamen Ausbaus mit dem Architekten Lothar Abel (15.2.1841 Wien — 24.6.1896 Wien) zuerst als Atelier mieten und 1904 schließlich erwerben. Nach dem Tod von Carl Leo 1942 übernahmen sein Sohn Erich (27.2.1910 Wien — 14.6.1980 Wien) und dessen Frau Irene, geb. Eder (13.7.1910 Wien — 21.6.2001 Wien) die Firma. Ab 1968 war deren Tochter Irene (geb. 31.8.1948 Wien) als Geschäftsführerin tätig, ihr Ehemann Klaus Lorenz (23.5.1943 Scheibbs — 24.12.2016 Wien) fungierte als Prokurist. Heute wird das Unternehmen von Irene und ihren beiden Kinder Irene (geb. 15.2.1967 Wien) und Claus Lorenz (geb. 15.3.1966 Wien) geführt. Claus Lorenz betreut heute auch das Archiv Friedrich Otto Schmidt.
Literatur: „Wagner, Hoffmann, Loos und das Möbeldesign der Wiener Moderne“ (Seite 147 ff.) Künstler, Auftraggeber, Produzenten, Band 37 Eva B. Ottillinger (Hg.) Dr. Stefan Üner, M MD



