Satz von vier floral bemalten und grün gefassten Stühlen, Wien um 1900

Satz von vier floral bemalten und grün gefassten Stühlen, Wien um 1900

Ausführung wohl Friedrich Otto Schmidt Wien, Entwurf Gillow of Lancaster ca. 1785, England

Wun­der­schön gefasste Stüh­le mit ovaler in Anthemion­form (Geißblat­tblüte) durch­brochen und beschnitzt gear­beit­eter Rück­en­lehne. Der Satz beste­ht aus zwei Arm­stühlen mit leicht aus­gestell­ten Arm­lehnen, sowie zwei Stühlen. Die grün und seg­ment­mäßig gold gefassten Stüh­le sind run­dum mit sehr feinen Blüten­girlan­den, in welchen jew­eils mit­tig ein Rubin mit ein­er Per­lene­in­fas­sung dargestellt ist, bemalt. 

Die vorderen Stuhlbeine sind teil­weise kan­neliert und mit Blat­twerk deko­ri­ert aus­ge­führt. Die restau­ri­erten Stüh­le sind derzeit in weiß grundge­pol­stert und wer­den anschließend auf Kun­den­wun­sch mit einem Deko­rstoff in unser­er Werk­stätte bezogen. 

Es sind ganz beson­dere, sehr sel­tene Stüh­le mit wun­der­schön­er grün­er Fas­sung und fein­er aufwendi­ger Blüten und Schmuck­malerei, die sich per­fekt als Sitzmö­bel für einen kleinen Salon oder Win­ter­garten anbieten.


Zum Entwurf:

Die Stuhlform mit durch­broch­enen in Anthemion­form gear­beit­eten Rück­en­lehnen, entspricht einem Entwurf vom März 1785, geze­ich­net von Gil­low of Lan­cast­er und abge­bildet im Esti­mate Sketch Books (siehe S. Stu­art; Gil­lows of Lan­cast­er und Lon­don 1730 – 1840”, Lon­don, 2008, S. 175 sowie ein ähn­lich­es Design, S. 135). Die Grund­form der Stüh­le existierte jedoch schon früher und erschien 1775 – 80 auf der Han­del­skarte von Vick­ers und Rout­ledge, Con­duit Street, Lon­don (veröf­fentlicht in A. Heal, The Lon­don Fur­ni­ture Mak­ers”, Lon­don, 1953, S. 72, Pl. 9), sowie eine Suite von Sitzmö­beln, welche an Lyonel, 5. Earl of Dysart für Ham House, Sur­rey um 1780, geliefert wur­den (S. Thorn­ton, Ham House’, Fur­ni­ture His­to­ry, 1980, Abb. 188). Eine weit­ere iden­tis­che Sitzmö­bel­suite, beste­hend aus offe­nen Ses­seln und passenden Fen­ster­sitzen, wurde von Gil­low an George, 4. Earl und 1. Mar­quis Chol­monde­ley (17491827) für Chol­monde­ley Cas­tle, Cheshire, geliefert, jet­zt in Houghton Hall. Sie sind illus­tri­ert in S. Mac­quoid, The Age of Sat­in­wood”, Lon­don, 1908, Abb. 102 und 115.

Geschichte — Gil­lows of Lancaster:

Die Fir­ma von Gil­lows of Lan­cast­er kann auf Robert Gil­low (170472) im Jahr 1730 zurück­ge­führt wer­den, nach­dem er eine Aus­bil­dung zum Schrein­er absolviert hat­te. In den 1730er Jahren begann er, den lukra­tiv­en Westin­di­en-Han­del auszunutzen, indem er Mahag­o­nimö­bel exportierte und Rum und Zuck­er importierte. Nach seinem Tod im Jahr 1772 wurde das Geschäft von seinen bei­den Söh­nen Richard (17341811) und Robert (174593) fort­ge­set­zt. 1764 wurde von Thomas Gil­low und William Tay­lor in der Oxford Road 176, heute Oxford Street, eine Lon­don­er Zweig­stelle von Gil­lows gegrün­det. Das Unternehmen machte sich schnell einen Namen als Liefer­ant hochw­er­tiger Möbel für die reich­sten Fam­i­lien des Lan­des. In den let­zten Jahren des 19. Jahrhun­derts geri­et das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeit­en und traf ab 1897 eine lockere finanzielle Vere­in­barung mit War­ing of Liv­er­pool, eine Vere­in­barung, die durch die Grün­dung von War­ing und Gil­low im Jahr 1903 rechtlich bestätigt wurde. War­ings of Liv­er­pool wurde von John War­ing gegrün­det, der 1835 aus Belfast in die Stadt kam und ein Großhan­dels­geschäft für die Her­stel­lung von Möbel grün­dete. Er wurde von seinem Sohn Samuel James War­ing abgelöst, der das Geschäft in den 1880er Jahren schnell aus­baute und Hotels und öffentliche Gebäude in ganz Europa ein­richtete. Er grün­dete auch die War­ing-White Build­ing Com­pa­ny, welche die Liv­er­pool Corn Exchange, das Kaufhaus von Sel­f­ridge und das Ritz Hotel baute. Gil­lows hat­te sich auch mit der Ausstat­tung von Luxu­sy­acht­en und ‑schif­f­en einen Namen gemacht, darunter die königliche Yacht Vic­to­ria and Albert“, die Schiffe Lusi­ta­nia“, Heliopo­lis“ und Cairo‘ sowie die RMS Queen Mary“ (1934) und Queen Eliz­a­beth“ (1946) für Cunard. Während des Ersten Weltkriegs wurde die Lan­cast­er-Fab­rik auf die Kriegspro­duk­tion umgestellt und stellte Muni­tion­skisten für die Marine und Pro­peller für De Hav­il­land DH9-Flugzeuge her. Im Zweit­en Weltkrieg wur­den Teile für Segelflugzeuge und die Mos­qui­to-Flugzeuge pro­duziert, während die Pol­ster­abteilung Seesäcke, Zelte und Tarn­net­ze her­stellte. Das Geschäft der Fir­ma begann jedoch zu schrumpfen, und die Lan­cast­er-Werk­stät­ten wur­den am 31. März 1962 geschlossen. 1980 schlossen sich War­ing und Gil­low mit der Möbeltischlerei Maple & Co zu Maple, War­ing und Gil­low zusam­men, die später Teil der Allied Maples Group Ltd. wurde, zu der auch Allied Car­pets gehörte. Aus The Nation­al Archives City of West­min­ster Archives Centre”

Friedrich Otto Schmidt, Geschichte: 

1858 fasste der aus ein­er säch­sis­chen, jedoch seit dem 18. Jahrhun­dert im preußis­chen Raum behei­mateten Zim­mer­manns­fam­i­lie stam­mende Carl Friedrich Hein­rich Schmidt (29.6.1824 Stral­sund — 22.10.1894 See­walchen) den Entschluss, nach Wien zu gehen. Schmidt, der in Ham­burg eine Aus­bil­dung zum Kauf­mann absolvierte und 1850 nach Prag kam, um in der Tape­ten­fab­rik Robert & Bhd. Sieburg­er“ zu arbeit­en, deren Budapester Fil­iale er von 1853 bis 1857 leit­ete, sah wie so viele Kün­stler und Handw­erk­er in der kaiser­lichen Res­i­den­zs­tadt Wien mit ihrem städte­baulichen Wach­s­tum und der Errich­tung der Ringstraße eine gewinnbrin­gende Chance zur beru­flichen Selb­stver­wirk­lichung. Nach­dem er zunächst gemein­sam mit dem aus Köln stam­menden Ger­hard Joseph Hubert Sugg (geb. 27.11.1832 Köln) 1859 das Tape­tengeschäft F. Schmidt & Sugg“ in der Bischof­gasse 637 (heute Roten­turm­straße 11) in Wien I gegrün­det hat­te, kon­nte Schmidt die Fir­ma 1872 zur Gänze übernehmen und in Friedrich Otto Schmidt“ umbe­nen­nen. Seinen kom­merziellen Auf­schwung erlebte das Unternehmen mit dem Ein­tritt des ältesten Sohnes Otto Erd­mann Schmidt (4.10.1854 Budapest — 16.3.1895 Wien), das nun­mehr als Tech­nis­ches Ate­lier für Zim­merdec­o­ra­tio­nen“ kom­plette Ein­rich­tun­gen bis hin zu Stuck­deko­ra­tio­nen und Kamine anbot. Die Fir­ma avancierte nicht nur zu einem der erfol­gre­ich­sten Woh­nungsausstat­ter in der zweit­en Hälfte des 19. Jahrhun­derts, son­dern beteiligte sich auch aktiv an Arthur von Scalas Reform­be­we­gung im Muse­um für Kun­st und Indus­trie in Wien, die sich zum deklar­i­erten Ziel set­zte, nach englis­chem Vor­bild das Zusam­men­wirken von Kun­st und Kun­sthandw­erk nach­haltig zu verbessern und die Tra­di­tion des His­toris­mus zu brechen. 

Schon bald ver­ab­schiedete sich Schmidt von der his­torisieren­den Nachah­mung älter­er For­men und konzen­tri­erte sich auf die exak­te Kopie alter Vor­bilder, ange­fan­gen von Einzelmö­beln bis zu ganzen Interieurs. Schmidts Lei­den­schaft für zeit­genös­sis­che Strö­mungen spiegelte sich auch in seinem pri­vat­en Umfeld wider. 1874 wurde seine vom Architek­ten Zin­ner erbaute Vil­la Daheim in See­walchen in Oberöster­re­ich fer­tiggestellt, in der er fre­und­schaftliche Kon­tak­te zu Kün­stlern, Lit­er­at­en und Musik­ern wie Hans Makart und Friedrich von Amer­ling pflegte. Als Carl Friedrich Hein­rich Schmidt 1894 und sein ältester Sohn Otto 1895 ver­star­ben, über­nahm sein ander­er Sohn Max Her­mann (11.8.1861 Wien — 1.4.1935 Budapest) die Fir­ma. Dieser absolvierte seine Aus­bil­dung in den 1880er-Jahren bei dem Raumgestal­ter Prig­not in Paris und bei der Ein­rich­tungs­fir­ma Pal­len­berg in Köln. 1889 trat er in den Fam­i­lien­be­trieb ein und wurde 1894 alleiniger Eigen­tümer. Gemein­sam mit seinen bei­den Brüdern Carl Leo (20.2.1867 Wien — 15.5.1942 Wien) und Hugo Wil­helm (2.2.1856 Budapest — 16.2.1932 Wien) kon­nte er das Tech­nis­che Ate­lier für Woh­nung­sein­rich­tun­gen“ bis zur Jahrhun­der­twende struk­turell verän­dern und aus­bauen. 1896 wurde neben dem Geschäft­slokal in der Roten­turm­straße 11 in Wien I eine zweite Nieder­las­sung in der Waisen­haus­gasse 7 (heute Boltz­man­ngasse) in Wien IX errichtet. 1897 wurde ein Geschäft­slokal in der Lipót körút 32 (heute Szent István körút) in Budapest eröffnet. 1898 über­siedelte man von der Roten­turm­straße in das barocke Palais Neu­pauer-Bre­uner in der Singer­straße 16 in Wien I. In der Waisen­haus­gasse 7 waren pri­vate Woh­nung und Lager­räume unterge­bracht. In den Jahren 1900 und 1910 wur­den weit­ere Nieder­las­sun­gen in der Bacher­gasse 5 in Wien V und in der Eisen­gasse 5 (heute Wil­helm-Exn­er-Gasse) in Wien IX eröffnet, die allerd­ings im Laufe der Jahre wieder aufge­lassen wurden. 

Ein beson­ders pro­duk­tiv­er Aus­tausch herrschte mit dem Architek­ten Adolf Loos, der eng mit Max Her­mann Schmidt zusam­me­nar­beit­ete und ihn beispiel­sweise zum bekan­nten Ele­fan­ten­rüs­seltisch (1899) inspiri­erte, der ab 1900 in ver­schiede­nen Vari­anten für diverse Woh­nung­sein­rich­tun­gen Ver­wen­dung fand. Neben Loos arbeit­ete das Unternehmen auch mit der Wiener Seces­sion zusam­men. So richtete man nach Plä­nen von Josef Hoff­mann den Vor­raum und das Büro des Sekretärs im Ausstel­lungs­ge­bäude der Seces­sion ein. Seit 1907 dient das Palais Chotek in der Währinger Straße 28 in Wien IX als Fir­men­sitz des Unternehmens. Das his­torische Gebäude im Renais­sances­til kon­nte er im Zuge eines gemein­samen Aus­baus mit dem Architek­ten Lothar Abel (15.2.1841 Wien — 24.6.1896 Wien) zuerst als Ate­lier mieten und 1904 schließlich erwer­ben. Nach dem Tod von Carl Leo 1942 über­nah­men sein Sohn Erich (27.2.1910 Wien — 14.6.1980 Wien) und dessen Frau Irene, geb. Eder (13.7.1910 Wien — 21.6.2001 Wien) die Fir­ma. Ab 1968 war deren Tochter Irene (geb. 31.8.1948 Wien) als Geschäfts­führerin tätig, ihr Ehe­mann Klaus Lorenz (23.5.1943 Scheibbs — 24.12.2016 Wien) fungierte als Prokurist. Heute wird das Unternehmen von Irene und ihren bei­den Kinder Irene (geb. 15.2.1967 Wien) und Claus Lorenz (geb. 15.3.1966 Wien) geführt. Claus Lorenz betreut heute auch das Archiv Friedrich Otto Schmidt. 

Lit­er­atur: Wag­n­er, Hoff­mann, Loos und das Möbelde­sign der Wiener Mod­erne“ (Seite 147 ff.) Kün­stler, Auf­tragge­ber, Pro­duzen­ten, Band 37 Eva B. Ottill­inger (Hg.) Dr. Ste­fan Üner, M MD

Satz von vier floral bemalten und grün gefassten Stühlen, Wien um 1900, Hans Miedler Fine Art Wien
Satz aus vier Stühlen, Wien um 1900 Armlehnstühle: H: 95 cm, B: 63 cm, T: 51 cm Stühle: H: 92 cm, B: 54 cm, T: 48 cm
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Satz von vier floral bemalten und grün gefassten Stühlen, Wien um 1900, Hans Miedler Fine Art