Meisterlicher Wiener Deckenluster um 1910
Der in schwer versilberter Ausführung gefertigte Deckenluster ist insgesamt neunflammig gearbeitet, wobei sich fünf Glühbirnen im Inneren des Lusterschirmes befinden und vier auf der ovalen, schwarz politierten Deckenplatte. Der feine Lusterkranz ist insgesamt mit sechs in Medaillonform gearbeiteten Elementen, welche zwischen zwei mit Perlenstab gezierten Bändern sitzen, gestaltet.
Alle sechs Medaillons sind mit dem von Hoffmann häufig verwendeten Motiv des Herzblatts mit Ranken und Früchten durchbrochen ausgeführt und von einem Perlenrand begrenzt. Darüber sitzen insgesamt vier leicht konisch verlaufenden Streben, die wiederum eine Verbindungen zu der Mittelschale bilden und mit dem Blatt sowie den Beeren der Stechpalme dekoriert sind.
Auch die geschlossene Mittelschale ist rundum mehrfach mit Perlenrand, Stechpalmen Blättern und Beeren geziert. Die versilberte Lusterstange wird ihrerseits wieder von einer gleichermaßen gezierten Deckschale bekrönt. Über dieser Deckschale befindet sich die ovale schwarze in Schellack politierte Deckplatte, auf der vier versilberte, ornamental mit Perlenstab dekorierte Lampenfassungen sitzen. Diese Idee einer Raumbeleuchtung, welche man getrennt von der des Lusters schalten konnte, muss man als eine frühe Version von unseren heutigen Deckenspots ansehen.
Der versilberte Luster wurde in unseren Werkstätten mit viel Fürsorge restauriert, ein neuer Seidenschirm in Handarbeit angefertigt, neu elektrifiziert und ist noch mit den originalen versilberten mit langem Porzellanhals gearbeiteten Fassungen ausgeführt.
Viele der in diesem Entwurf verwendenden Ornamente, finden wir vermehrt bei den Entwürfen von Josef Hoffmann. Im Besonderen bei seinen Entwürfen der Schmuckbroschen, verwendet Hoffmann sehr häufig dieses Herzblatt Motiv. Auch die Ornamentik der Deckschalen mit dem Perlenrand finden sich in den Entwürfen Josef Hoffmanns für seine Silber- und Aufsatzschalen wider.
Persönliche Anmerkung:
Vorliegenden Luster kann man aufgrund seines wirklich außergewöhnlichen Entwurfes, als auch seiner absolut feinen und detailreichen Ausführung, als ein perfektes Beispiel für die traumhaft schöne Qualität der im Umfeld der Wiener Werkstätte entstandenen Kunst- und Einrichtungsobjekte, ansehen. Im Anschluss zeigen wir Ihnen vergleichbare Entwürfe aus dem Besitz der Sammlung des Museums für Angewandte Kunst sowie Fotos von Detailaufnahmen aus Möbelentwürfen.
Ein bedeutender Entwurf eines Lusters von Josef Hoffmann, welcher von Ludwig Lobmeyr ausgeführt wurde, ist der Kölner Luster, entworfen für die Werkbundausstellung 1914; dieser ist bis heute als Dauerleihgabe der Familie im Wiener MAK zu sehen ist.
Auch bei diesem Luster finden wir im Lusterkranz Elemente, welche mit der Herzblatt Ornamentik geziert sind.
Im Unterschied zu den vorliegenden Luster sind hier die Herzblattornamente in Hammerschlag Optik gearbeitet, welche dadurch in ihrem Erscheinungsbild eine nicht so feine Wirkung haben. Bei vorliegendem Luster, lässt die versilberte Ausführung und Feinheit dieser Arbeit keinen Zweifel aufkommen, dass dieser mit Sicherheit eine Auftragsarbeit für einen wohlhabenden Kunden war. Er ist ein seltenes Unikat und ein Meisterstück aus einer der bedeutendsten und interessantesten Stilepochen in Wien. Dieser moderne Entwurf mit der Idee der separat zu beleuchtenden Deckenfassungen ist gleichzeitig als Wegbereiter der heutigen Deckenspots anzusehen.
All das ist ein wunderbarer Beweis für die hochwertige Qualität und Materialien die zur Zeit der Wiener Werkstätten verwendet wurden, als auch die Vorreiterrolle der bedeutenden Architekten und Designer auf dem Weg in die Moderne…
Josef Hoffmann (1870−1956): Josef Hoffmann wurde 1870 in Pirnitz/Mähren in eine sozial und gesellschaftlich schwierige Zeit geboren, aber es war auch der Beginn der Industriellen Revolution mit all ihren positiven und negativen Seiten. Josef Hoffmann begann 1892 sein Architekturstudium an der Akademie der bildenden Künste bei Carl von Hasenauer und Otto Wagner in Wien. Er begeisterte sich früh für die englisch — schottischen Kunstbewegung Arts & Crafts. Ihre Vision war es alle Lebensbereiche mit Kunst zu erfüllen, Alltags und Gebrauchsobjekte schöner und ästhetischer zu designen und so kunstvoll gestaltete Gebrauchsgegenstände auch für eine breitere Gesellschaftsschicht zugänglich zu machen. J. Hoffmann wie auch sein Lehrer Otto Wagner waren der Anschauung, dass Kunst sogar eine auf die menschliche Seele heilende Wirkung haben könne. Sie dachten die Rolle des Architekten viel größer, von nun an sollte der Architekt gleichzeitig Designer sein, und auch alle zu verwendenden Gegenstände neu entwerfen. Diesem Kredo blieb Hoffmann zeit seines Lebens treu. Im jungen Alter von gerade einmal 29 Jahren wurde Hoffmann bereits zum Professor der Universität für angewandte Kunst in Wien ernannt. Darauf erfolgte einer der bedeutungsvollen Schritte in Hoffmanns Karriere, nachdem er sich im Jahre 1897 mit Gustav Klimt, Koloman Moser, Joseph Maria Olbrich, Carl Moll und anderen zu der Vereinigung der „Wiener Secession“ welche sich als Gegenbewegung zu den etablierten Kunstschaffenden verstand, zusammengeschlossen hatte. Er begründete nur sechs Jahre später gemeinsam mit Koloman Moser und Unterstützung des Industriellen Fritz Waerndorfer 1903 die Wiener Werkstätte. Zu den ersten achtikonischen Meisterwerken Hoffmanns muss man das 1904 umgesetzte Sanatorium Purkersdorf zählen, bei welchem Hoffmann von der Inneneinrichtung bis zu den Gärten alles bis ins kleinste Detail entworfen hatte. Dieses Gesamtkunstwerk setzte fast schon radikale, neue Maßstäbe in der Sicht auf Architektur und Design. Eines der bedeutendsten Werke Josef Hoffmans, mit welchem ihm schlussendlich der internationale Durchbruch gelang, war das Palais Stoclet in Brüssel. Bei diesem Bau, welchen er in den Jahren 1905 — 1911 verwirklichte, konnte er seine Vision des Gesamtkunstwerkes vollends realisieren. Architektur und Design verschmelzen mit dem täglichen Leben, Kunst wird ein ästhetischer Teil unseres Alltages. Ein interessanter Aspekt zu der Idee des Gesamtkunstwerkes wäre hier, das bereits der bedeutende dänisch-österreichische Baumeister und Architekt des Klassizismus und Historismus, Theophil Edvard Hansen, (1813 in Kopenhagen — 1891 in Wien). die Vision eines Gesamtkunstwerkes von Gebäude und Einrichtung hatte und auch bei einigen seiner Projekte in Wien umsetzen konnte. Die strenge und klare Formensprache der Entwürfe von Hoffmann, waren Wegbereiter zur Moderne und sind so wie auch die Entwürfe von Adolf Loos Kunstwerke von zeitloser Eleganz, gefertigt in höchstmöglichen Qualität und Ausführung. Als ein Zitat von Bedeutung, wäre vielleicht das von Le Corbusier in welchem er über Josef Hoffmann sagte: ….heute, wo sich die neuen Generationen … die Früchte der Arbeit der wahren Wegbereiter zu eigen machen, … ist es nur gerecht … unsere Dankbarkeit zu bezeugen gegenüber Männern wie Professor Hoffmann und gegenüber Unternehmungen, die so kühn waren wie die Wiener Werkstätte. Endlich ist das, was bestehen bleibt, das — unentbehrlich Überflüssige -, die Kunst.“
S. MAK Ausstellung: JOSEF HOFFMANN. Fortschritt durch Schönheit im MAK Museum Wien.
Zu Abbildungen unten/Literatur:
Lit: MAK Ausstellung: Wandvitrine aus dem Treppenaufgang der Villa Ast, 1910, Ausführung: Wiener Werkstätte, Makassar-Ebenholz, Messing, Glas
Wall-mounted vitrine from the staircase of the Ast villa, 1910, Execution: Wiener Werkstätte, Makassar ebony, brass, glass
THE OTTO SCHOENTHAL COLLECTION
Sowie unterstes Foto: Josef Hoffmann 1870 – 1956, Fortschritt durch Schönheit MAK (engl. Titel: Progress Through Beauty ) S. 187 Abb. 3 JH, Herrenzimmer der Wohnung Prof. Dr. Otto Zuckerkandl, 1912⁄13