Bedeutende Wiener Prunkgirandole, Entwurf Otto Prutscher 1920/21
Diesen fast Barock anmutenden Leuchter, entwarf Otto Prutscher um 1920 für das Speisezimmer von Leo Nowak in Wien. Er wurde von den Wiener Werkstätten in versilberter Ausführung aus getriebenem Messing gefertigt.
Besonders schön ist neben dem aufwendigen Design, die feine Optik der gehämmerten Oberfläche, in welcher der gesamte Leuchterkörper, bis auf die feinen Arme, ausgeführt ist. Einen artgleichen Tafelaufsatz, welchen Prutscher auch 1920 für die Wohnung Nowak aus Silber entworfen hat und welcher auch von den Wiener Werkstätten ausgeführt wurde, ist auch als Entwurfszeichnung erhalten. (Hochschule für Angewandte Kunst, Otto Prutscher 1880 – 1949, Seite 40)
Prutscher bekam mehrerer Aufträge für unterschiedliche Leuchter von Leo und Jakob Nowak, teils für die Wohnung von Leo Nowak am Wiener Alsergrund, in der Alserstrasse 28, als auch für die Einrichtung des Hauses von Jakob Nowak in Wien Dornbach, Dornacherstrasse 27.
Speziell die in den zwanziger Jahren von Prutscher entworfenen Leuchten, hier sowohl Decken als Tischleuchter, unterscheiden sich in ihrer Auffassung zu den früheren Entwürfen Prutschers.
Die Anlehnung dieser Entwürfe an die Natur ist unübersehbar, vage erinnern sie an Blüten, verschlungene Stängeln mit Blättern und die Tulpenform der Fassungen, oder wie bei unserem Leuchter der Kerzentüllen, finden sich in den Entwürfen dieser Zeit wider. Sie unterscheiden sich dadurch doch erheblich zu den abstrakten Geometrismus der früheren Entwürfe, wen gleich man auch festhalten kann, das Prutscher zeitgleich für die Firma Melzer in einer sehr schlichte Formensprache Leuchter kombiniert mit Textilien entwirft.
Signaturen: Am Fuß finden wir das Monogram “O. P.” als auch für die Ausführung “WIENER WERKSTÄTTE”
Selten finden wir Objekte am Kunstmarkt, die so viele Aspekte einer bedeutenden Provenienz in sich vereinen wie dieser Prunkleuchter.
Wir haben hier auf der einen Seite mit Otto Prutscher einen der bedeutendsten Designer des Wiener Jugendstils und der Secession und mit den Wiener Werkstätten den bedeutendsten Wiener Produzenten dieser Zeitepoche, als auch mit Leo Nowak den Auftraggeber.
Auf der anderen Seite die Sammlung Schedelmayer, welche man mit Fug und Recht als die umfangreichste Sammlung der Werke Otto Prutschers bezeichnen kann, als auch die vielen Dokumentationen und bedeutenden Ausstellungen wie die im MAK als auch im Leopold Museum.
Abgebildet und beschrieben ist diese siebenflammige Girandole als eine Auftragsarbeit für Leo und Jakob Nowak unter anderem, im 2‑bändigen Sammlungsbuch von Heim & Fritz Schedelmayer herausgegeben von der Universität für Angewandte Kunst Wien
„Otto Prutscher 1880 – 1949 Architekt und Designer zwischen den Traditionen und Moderne Band 2, S. 168, 169, Abbildung Nr. 183
„…Die Wohnungseinrichtungen für Leo und Jakob Nowak erhielten besonders eindrucksvoll gestaltete Girandolen. Für den Salon der Wohnung von Leo Nowak am Wiener Alsergrund waren sie aus getriebenem Messing und vergoldet; für das Herrenzimmer aus patiniertem, getriebenem und gehämmertem Messing, mit Jahreszeiten-Putti von Powolny 3; und für das Speisezimmer entwarf Prutscher einen geradezu barocken siebenflammigen Prunkleuchter aus versilbertem Messing → 183. Im Haus Jakob Nowaks in Wien-Dornbach 33 befanden sich eher klassizistisch anmutende Formen, alle figurativ bekrönt; ein zweiflammiger Leuchter mit Mittelfigur auf dem Spiegelkästchen im Damensalon, auf dem Kamin im Herrenzimmer 35 und ein vierflammiger Leuchter, Silber getrieben, auf dem Kamin im Speisezimmer.
Der Vorliebe dieses Auftraggebers für figurative Darstellungen wurde in der gesamten Einrichtung Rechnung getragen…“
Otto Prutscher (1880−1949)
zählte zur ersten Studentengeneration der Wiener Kunstgewerbeschule. Die Aufnahme 1897 und der Unterricht bei einigen der bedeutenden Künstler der Wiener Moderne, wie Josef Hoffmann, Koloman Moser, Willibald Schulmeister und dem Maler Franz Matsch prägten die Stilfindung von Otto Prutscher nachhaltig. Ab dem Jahr 1907 arbeitet Otto Prutscher für die Wiener Werkstätten. Er war so wie Josef Hoffmann Architekt und Designer, und wie er unterrichtete er ab dem Jahr 1909 an der Wiener Kunstgewerbeschule. Er war Mitglied der wichtigsten Künstlervereinigungen wie der Wiener Secession, den Wiener Werkstätten, dem Werkbund uvm. Auch arbeitete er mit und für die bedeutendsten Wiener Manufakturen seiner Epoche und das in so vielen unterschiedlichen Bereichen. Sein unglaublicher Schaffensdrang in Architektur und Design macht ihn zu einem der ganz Großen in der Riege der Wiener Architekten und Designer. Otto Prutscher war somit maßgeblich an der Entwicklung der Wiener Moderne beteiligt.
Otto Prutscher war nicht nur ein viel beschäftigter Architekt und einer der führendsten Kunstgewerbetreibenden Wiens am Beginn des 20. Jahrhunderts. Neben einiger der große Wohnhausanlagen in Wien, plante er vor allem Privat- und Geschäftshäuser sowie Kaffeehäuser und deren Innenausstattung.
Für viele der wohlhabenden Familien Wiens entwarf er Innenausstattungen, welche von den bedeutendsten Produzenten seiner Zeit, wie zum Beispiel Jacob & Josef Kohn, Thonet, Portois & Fix oder J. & L. Lobmeyr ausgeführt wurden. Für die Vereinigung der Wiener Werkstätten entwarf er unter anderem Möbel, Porzellan, Gläser, Besteck, Metallarbeiten, Schmuck, Uhren, Bucheinbände und Textilien uvm.
Sein Nachlass, welcher sich heute im MAK – Museum für Angewandte Kunst Wien befindet, umfasst Pläne und Architekturfotografien ebenso wie Originalentwürfe für Möbelstücke und kunstgewerbliche Objekte.
Das Museum widmete ihm 2019/2020 eine eigene Ausstellung (Otto Prutscher. Allgestalter der Wiener Moderne, 20. November 2019 – 17. Mai 2020).
Provenienz, Dokumentation, Abbildungen der siebenflammigen Girandole:
Aus der Sammlung Schedlmayer. Literatur: Otto Prutscher Archiv 1338; Duit, Schedlmayer, Otto Prutscher, Band 2, S. 168, 169, Abb. Nr. 183
Die Sammlung Schedelmayer, Katalog zur Ausstellung — Leopold Museum, Seite 70; Hochschule für Angewandte Kunst, Otto Prutscher, Seite 41;
MAK, Ausstellungskatalog Der Preis der Schönheit, Seite 298, M 276, Seite 428;
Weiterführender Link, klicken Sie hier, “Otto Prutscher. Allgestalter der Wiener Moderne”
Ausstellung Leopold Museum Wien:
Die Sammlung Schedlmayer. Eine Entdeckung!
10.09.2021 – 20.02.2022. Das österreichische Sammlerpaar Hermi (1941 – 2018) und Fritz Schedlmayer (1939 – 2013) trug eine hochkarätige Auswahl an kunstgewerblichen Gegenständen und Werken aus der bildenden Kunst aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zusammen. Diese noch weitgehend unbekannte Sammlung wird im Herbst 2021 erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.
Dazu folgende Videos:
Sammlung Schedlmayer, klicken Sie hier für das Video, für ein weiteres Video klicken Sie hier.
ORF Stories, klicken Sie hier für das Video.