Gotischer Kirchenleuchter19 Jhr 01

Kapellenkrone Goslarer Werkstatt um 1480

Ausgeführt letztes Drittel 19. Jahrhundert
Verkauft

Sel­tene und kun­stvoll gear­beit­ete Kapel­lenkro­ne nach einem Entwurf der Goslar Kapel­lenkro­ne, welche sich heute im Rathaus von Goslar befind­et und um 1480 in ein­er Goslar Werk­statt gefer­tigt wurde. 

Die Kapel­lenkro­ne dürfte ursprünglich für den Goslar­er Dom aus­ge­führt wor­den sein. Details dazu siehe nachstehend.

Der aufwendig aus von Hand geschmiede­tem Eisen gefer­tigte Leuchter besticht durch seine kapel­lenar­tige Mit­telkon­struk­tion, welche in allen Einzel­heit­en der Orna­men­tik und dem Baustil der Gotik entspricht. In der offe­nen Kapelle, die von vier Hauptpfeil­er, welche an ihren Enden mit einem sym­bol­is­chen Schlangenkopf geziert sind, und von Quer­streben umschlossen wird, befind­et sich die vollplas­tisch gear­beit­et, Marien Fig­ur mit ihrem Kind. 

Die holzgeschnitzte und bronzierte Marien Fig­ur ist mit großem Kro­n­reif, das Gewand mit dreifach gestaffel­ten Fal­tenkaskaden, sowie bis zum Boden reichen­den Schüs­sel und Röhren­fal­ten, aus­ge­führt. In ihrem recht­en Arm trägt sie das bek­lei­dete Jesuskind mit der Erd­kugel in sein­er recht­en Hand. Umgeben wird die kapel­lenar­tige Mitte von ins­ge­samt acht Leuchter­ar­men auf zwei Ebe­nen, welche reich mit in wun­der­schön­er Qual­ität kreuzför­mig geschmiede­ten Blat­twerk geziert sind.

Die Kro­ne­n­arme, die sowohl unter­halb als auch ober­halb der Kapelle sitzen, sind in geschwun­gener Form gear­beit­et und mit ein­er vollplas­tis­chen Eichel, welche die Ver­heißung Gottes sym­bol­isieren soll als Abschluss deko­ri­ert. Die durch­brochen gear­beit­eten Tropf­schalen sind in Kro­nen­form aus­ge­führt und bilden ein dom­i­nantes Ele­ment des Leuchters.

Den unteren Abschluss bildet ein vollplas­tisch aus­ge­führter Löwenkopf mit stil­isiert­er Mähne und ein­er pro­fil­iert geschmiede­ten, beweglichen Hand­habe im Maul. Bekrönt wird der Leuchter von ein­er Bischofs Fig­ur, diese vollplas­tisch holzbeschnitzt und bronziert, mit Mitra, Bischofs Stab in der linken und dem Buch der Regeln in der recht­en Hand.

Als ober­er Abschluss dient eine große geschmiedete, orna­men­tal gezierte Deckenschale

Abso­lut sel­tene Kapel­lenkro­ne, welche in meis­ter­lich­er Qual­ität im 19. Jahrhun­dert von Hand geschmiedet wurde. Generell gibt es nicht viele Leuchter dieses Typus.

Bedeu­tende Beispiele neben dem Goslar­er Leuchters find­en wir unter anderem im Augs­burg­er Dom, in der Andreaskirche zu Hal­ber­stadt oder in der Pfar­rkirche zu Stans, in der Schweiz.

Nicht uner­wäh­nt bleiben sollte hier auch der prunk­voll gear­beit­et patinierte Bronze Leuchter aus der Nürn­berg­er St. Lorenz Kirche, der1489 von Erzgießer und Bild­hauer Vis­ch­er, Peter der Ältere, Nürn­berg (1460- 1529) ent­wor­fen und aus­ge­führt wurde.

Lit­er­atur: Kurt Jar­muth beschreibt in seinem 1967 erschiene­nen Buch Lichter Leucht­en im Abend­land. Zweitausend Jahre Beleuch­tungskör­p­er”, in wun­der­bar­er Weise die Geschichte der Licht­träger, so auch über die Entste­hung der Kapellenkrone.

Nach­fol­gend find­en Sie einen Auszug aus Jar­muths Buch über die Kapel­lenkro­nen und deren Entste­hung, in welchem er auch über die Kro­ne von Goslar schreibt: 

Die Kapel­lenkro­ne

Die Kro­ne von Stans ist eines der reif­sten Exem­plare dieser Gat­tung. Den beze­ich­nen­den Namen gibt ihr die kapel­lenar­tige Kon­struk­tion der Mitte, bei der alle Teile den Bauele­menten und der Orna­men­tik der großen Architek­tur ent­nom­men sind. Das ist das Grund­sät­zliche des gotis­chen Kun­sthandw­erks, daß es nicht eigene Motive entwick­elte, son­dern gän­zlich von der Wieder­hol­ung des Baustils lebte.

Man kön­nte dies als Schwäche anse­hen, anders betra­chtet ist es aber das Zeichen ein­er Stärke. Die in allen Kun­stäußerun­gen nach Rich­tung und Bewe­gung drän­gende Zeit hat­te ihre blendende Darstel­lung in den hohen Kathe­dralen erlangt. 

Aus der niedri­gen Flucht der Häuser wach­send, waren sie der Blick­punkt ein­er ansteigen­den Straßen­zeile oder eines spitzwin­kli­gen Platzes. Das Stadt­bild der gotis­chen Han­del­splätze erhielt durch sie den Reiz der Größe. 

Er nimmt uns noch heute gefan­gen, wenn wir zum Beispiel die flan­drischen Städte Gent, Brügge oder Antwer­pen (Abb. 64) betra­cht­en. Diesen erhabenen Denkmalen der Baukun­st kon­nten zu ihrer Zeit andere Kun­stsparten nichts Gle­ich­w­er­tiges ent­ge­genset­zen. Und sie woll­ten es auch nicht. Es war ihnen eine Auf­gabe, sich der Köni­gin Architek­tur zu ihrem Preise anzuschließen.

Als Beispiel eines solchen schöpferischen Zusam­men­wirkens kön­nen wir das Bild ein­er sil­ber­nen Mon­stranz (Abb. 65) betra­cht­en. Ihr Bau ver­läuft nach dem Regel­buch der Großkun­st und bewahrt doch eine indi­vidu­elle Handschrift. 

Eben­so ver­hielt es sich bei den Kro­n­leuchtern, die nach der gle­ichen Auf­fas­sung mit Pfeil­ern, Spitzbo­gen, Fialen und Maßw­erk den lufti­gen Bau ein­er offe­nen Kapelle als eines Zierge­häus­es oder Taber­nakels schufen, in dem eine Maria oder ein Heiliger thronte. 

Mit dieser Kapelle als Mit­telachse wurde die Aufhän­gung der Kro­ne ver­bun­den. Die Kro­ne­n­arme, die unter­halb der Kapelle anset­zten, erhiel­ten eine Bogen­form aus Flach­metall und wirk­ten mit ihren Verzierun­gen wie mit der Laub­säge aus­geschnit­ten, eine Tech­nik aufweisend, über die in einem späteren Absatz noch aus­führlich­er zu sprechen sein wird,

Eigen­tüm­lich war den gotis­chen Kro­nen das meis­tens kreuzför­mig gebildete Blatt-werk. Sig­urd Erixon nimmt dafür als Erk­lärung an, daß es sich um stil­isiertes Wein-laub han­dele, das zusam­men mit den Heili­gen­fig­uren auf das bib­lis­che Gle­ich­nis vom Wein­berg hin­weisen solle. 

Ein wichtiges Stilele­ment an den Leucht­en ist die Tropfen-schale. Sie hat eine kantige Napf­form mit einem an der unteren Kante ange­set­zten Blat­trand. Umge­dreht würde das Gebilde ein­er Kro­ne ähneln. Erich Mey­er stellt fest, daß der Blat­tkranz unter der Schale sich desto enger zusam­men­zieht, je später die Kro­ne ent­standen ist. Auch die Befes­ti­gung der Kerzen bedarf noch ein­er Erwäh­nung. Bei den Kapel­lenkro­nen, die in Kirchen und Rathäusern ver­wen­det wur­den, sind meis­tens Tropfen­schalen mit Dor­nen zum Auf­steck­en der Kerzen zu beobachten.

Kerzen­tüllen find­en wir dage­gen vorherrschend bei der noch zu besprechen­den Gat­tung der Schaftkronen.

Ein bedeu­ten­des Beispiel ein­er solchen Kapel­lenkro­ne befind­et sich im Regens­burg­er Rathaus (Abb. 83), eine Nach­bil­dung hängt im National­mu­se­um in München.

Im Rathaus zu Goslar ist ein dop­pelt mit Fig­uren beset­ztes Exem­plar vorhan­den, die obere Fig­ur stellt einen Bischof dar (Abb. 67). Dieses Stück stammt, wie Gün­ther Griep fest­gestellt hat’7, aus ein­er Goslar­er Werk­statt.

Eine sehr reiche Schöp­fung dieses Typs hängt im Augs­burg­er Dom (Abb. 68). Es nimmt als Motiv die Idee auf, aus einem dicht­en, die Natur nach­bilden­den Buschw­erk der Arme den math­e­ma­tisch kon­stru­ierten Turm ein­er Kathe­drale her­auswach­sen zu lassen. Es scheint so, als sollte dargestellt wer­den, wie der klare göt­tliche Gedanke sich aus der krausen Welt erhebt. Es wird angenom­men, daß diese Kro­ne im Gebi­et von Dinant hergestellt wor­den ist.

Die kün­st­lerische Leis­tung und aus­ge­sproch­ene Feier­lichkeit der größeren gotis­chen Kro­n­leuchter­typen, wie wir sie in der Kapel­lenkro­ne und in der im fol­gen­den besproch­enen Kor­bkro­ne ken­nen­ler­nen, ist in der Kun­st­geschichte bish­er zu wenig gewürdigt wor­den. Die Eingliederung dieser Leucht­en in das Kun­st­gewerbe und in das Gebi­et der Gebrauchs­geräte hat sehr zu Unrecht zu ein­er zweitrangi­gen Bew­er­tung ihrer kun­stvollen Arbeit­en geführt. 

Mit ihren besten Stück­en ver­di­en­ten sie es, in die Nähe der reinen Kun­st gestellt zu wer­den. An den Beispie­len aus Augs­burg und Goslar ist abzule­sen, wie die Gestal­ter der Leucht­en gle­ich den Erbauern der Gotteshäuser bestrebt waren, den Betra­chter auf eine über­ge­ord­nete Welt zu ver-weisen. Sie bedi­en­ten sich der feingliedri­gen Architek­tur der Pfeil­er, Ziergiebel und Fialen und ord­neten sich äußer­lich der Großkun­st unter, wie dies die Handw­erk­er und Kün­stler aller Sparten mit dieser einzi­gar­ti­gen Aus­druck­sweise ihrer Zeit taten. 

Doch sie schufen dabei ein eigen­tüm­lich­es, gedanken­re­ich­es und kun­stvolles Bild. Die Mit­telachse ihrer Kro­n­leuchter, zu einem Taber­nakel geformt, war nicht nur Stan­dort ein­er Maria mit dem Kinde oder eines Schutzheili­gen. Die Ver­stärkung zu ein­er tran­szen­den­ten Erschei­n­ung des über den Men­schen schweben­den from­men Bildes führten sie her­bei durch das weit­ere, ihnen zur Ver­fü­gung ste­hende Bauele­ment, das kün­stliche Licht. Dieses strahlte von den Kerzen aus, die die hän­gende Kapelle um-standen. Die berech­nete Wirkung des Lichts darf bei der Beurteilung eines Kro­n­leuchters eben­sowenig außer acht gelassen wer­den, wie sie etwa bei der Bew­er­tung von Glas­malereien fehlen kann.

Es genügt nicht, nur die materiellen For­men eines Leuchters kun­st­geschichtlich zu reg­istri­eren. Erst zusam­men mit dem Flu­idum des Lichts kann das Gelin­gen oder Nicht­gelin­gen eines Kunst­werks beurteilt wer­den, das zu nichts Gerin­gerem bes­timmt war, als über ein­er Gemeinde oder ein­er Ratsver­samm­lung als Sym­bol der Gegen­wart Gottes zu schweben. 

Der Goslar­er Dom ist die ehe­ma­lige Stift­skirche St. Simon und Judas in Goslar. Sie wurde zwis­chen 1040 und 1050 errichtet, war Bestandteil des Bezirks der Kaiserp­falz Goslar und wurde 1819 – 1822 abge­brochen. Heute ist noch die nördliche Domvorhalle erhal­ten. Die Beze­ich­nung Dom“ hat hier nicht die jün­gere Bedeu­tung Kathe­drale, son­dern die ältere von Münster.

Gotischer Kirchenleuchter19 Jhr 03a
Kapellenkrone Lusterkörperhöhe 120 cm ; gesamt 148 cm, Dm: 73 cm
Gotischer Kirchenleuchter19 Jhr 02
Gotischer Kirchenleuchter19 Jhr 06
Gotischer Kirchenleuchter19 Jhr 05
Gotischer Kirchenleuchter19 Jhr 08
Gotischer Kirchenleuchter19 Jhr 07
IMG 0686
Literatur Abb. Obere Abb. aus dem Buch Seite 83, Abb 67; untere Abb. Huldigungssaal des Goslarer Rathaus um 1520
Huldigungssaal 2