
Empire Vitrine
Äußerst seltene und wunderschön ausgeführte Empire Vitrine mit Ägyptisierendem Einfluss. Der Korpus des Möbels ist in Eiche sowie in Weichholz ausgeführt und sehr fein in Mahagoni furniert.
Sowohl Kranz als auch Sockel sind mit in für diese Zeit typischen Ochsenaugen und Akanthusblatt Stabdekor geziert. Diese Stabverzierungen wurden fein beschnitzt und anschließend blattvergoldet. Der prunkvolle Schrank steht auf vier in Löwentatzen Form beschnitzten, ebonisierten und vergoldeten Füßen.
Das Hauptelement der Vitrine bilden die beiden in Form eines Sonnenrades verglasten Türen. Die ovale Form der alten Glasfenster wird von den in Strahlenform angeordneten ebonisierten Sprossen unterbrochen. Die verbleibenden in Mahagoni furnierten Elemente sind umlaufend mit einem blattvergoldeten Metallband in Form von aneinander gereihten kleinen Blättern verziert.
Mittig sind die Türen mit einem sehr fein gearbeiteten vergoldeten Bronzebeschlag ausgeführt. Flankiert werden die beiden Türen von abgesetzten konisch ausgeführten Lisenen. Bekrönt werden diese von ebonisierten sowie blattvergoldeten Ägyptisierenden Frauenbüsten, sowie mit aus vergoldeter Bronze gearbeiteten Weinblatt, Blütenkranz und Maschendekor.
Die Inneneinrichtung des Schrankes ist in Eiche, mit vier höhenverstellbaren Fächern ausgeführt.
Auslöser für den Ägyptischen Einfluss im Empire in Europa war der Ägyptenfeldzug Napoleons in den Jahren 1798⁄99.
Ein besonders schönes und bedeutendes Beispiel dieser Modeströmung im Empire war das sogenannte Ägyptische Kabinett, welches sich Maria Ludovica d‘Este (1787−1816), die dritte Gemahlin Kaiser Franz I, für ihre Wohnung im zweiten Stock des Leopoldinischen Traktes der Hofburg um 1810⁄12 gestallten ließ.
Auch viele der für Kaiserin Ludovica gefertigten Möbel wurden so wie bei diesem Schrank mit antikisierenden Elementen gefertigt.
Ein weiteres Beispiel für die herausragende Qualität und Handwerkskunst sind die von Joseph Danhauser 1822 für das Palais (heutige Albertina) von Erzherzog Carl von Sachsen Teschen gefertigten Möbel in Mahagoni. Auch hier findet sich z.B. eine Wandkonsole mit Ägyptisierenden Elementen, welche im Schreibzimmer nach der Restaurierung von 1822 – 25 steht; des weiteren auch ein Möbelpaar von eintürigen Wandschränken mit medaillonförmiger Mitteldekoration in Mahagoni furnierter Ausführung, die im sogenannten Sterbezimmer Erzherzog Carls stehen…
Vorliegender Schrank ist ein selten schönes Beispiel für die hohe Kunstfertigkeit der Möbelschreiner des Empires in Wien.
Möbel, die nach mehr als 200 Jahren noch in so perfekter Form, ohne Risse und Verformungen in der Holzoberfläche, mit absolut geraden Linien und Kanten erhalten sind, sind seltene Zeitzeugen der hohen Kunst des Möbelbaus.
Einige Beispiele finden Sie in der Schausammlung des Möbelmuseums ehemals Hofmobiliendepot in Wien.
Napoleons Ägyptenfeldzug (1798- 1801):
Im Jahre 1798 brach der junge Napoleon Bonaparte im Auftrag der französischen Regierung nach Ägypten zu seinem Ägyptenfeldzug, auch als Ägyptische Expedition bekannt, auf.
Das Hauptziel des Feldzuges war, Ägypten von der osmanischen Herrschaft zu befreien und die Position Frankreichs im Nahen Osten zu stärken. Die große Expeditionsflotte, welche aus mehr als 280 Schiffen und über 30.000 Mann bestand, wurde von der Commission des sciences et des arts, einer Gruppe von 167 Wissenschaftlern, Ingenieuren, Künstlern, Ärzten, Mathematikern und Naturforschern begleitet. Die Ergebnisse der Expedition wurden in der mehrbändigen Text- und Bildersammlung “Description de l’Égypte“ dokumentiert, die den Grundstein für die spätere Ägyptologie legte.
War die Expedition auch letztlich ein militärischer Fehlschlag, führte sie doch zu bedeutenden wissenschaftlichen Entdeckungen, da durch die an der Expedition teilnehmenden Wissenschaftler die altägyptische Kultur weithin bekannt wurde und so ein starkes Interesse an der Frühgeschichte geweckt wurde.
Eine der bedeutendsten Entdeckungen dieser Zeit war der Fund des Steins von Rosetta am 15. Juli 1799, welche letztendlich die Entzifferung der altägyptischen Hieroglyphen durch Jean-François Champollion ermöglichte.
Diese führte nicht nur dazu das ein Studiums der Ägyptologie und der Erforschung altägyptischer Artefakte besonders populär wurde, sondern löste eine regelrechten Begeisterungswelle für die ägyptische Kultur in ganz Europa aus. Plötzlich waren Architektur und Innenausstattung, wie Möbel, Malerei, Dekorstoffe, Porzellan, Mode usw. im ägyptischen Stil überall in Europa en vogue. Dies führte dazu, dass der Begriff der Ägyptomanie geboren war.
Aus dieser Strömung entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts der sogenannte „Orientalismus“ in der Kunst und Literatur, welcher im späten 19. Jahrhundert unter vielen anderen mit Werken von Auguste Delacroix, Jean Lecomte du Noüy oder Jean-Léon Gérôme seinen Höhepunkt erreichte.
Weiterführende Literatur: „Le Mobilier du xix Siècle — en France et en Europe”, Seite 212.
Hier als Amoire-Bibliothek Österreich (1820−1830); der eintürige Empire Schrank ist hier in Kirschholz mit Einlegearbeiten aus Ahorn, Palisander und Amaranth, sowie mittig im sogenannten Sonnenrad mit einer blattvergoldeten Sonne und Sonnenstrahlen ausgeführt. Das hier dargestellte Modell wirkt viel rustikaler und hat bei weitem nicht die Eleganz des in Mahagoni ausgeführten Möbel aus unserer Sammlung.




